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Alpine Vereine und PAN fordern mehr Respekt für die Natur in den Alpen

Alpine Vereine und PAN fordern mehr Respekt für die Natur in den Alpen
Ein einzigartiger Schulterschluss der Alpenvereine aus Österreich, Deutschland und Südtirol gemeinsam mit zahlreichen weiteren Naturschutzorganisationen und Bürgerbewegungen fordert dringend mehr Respekt für den alpinen Raum. (Foto: Harry Putz)

Unter dem Motto "Mehr Respekt für die Natur in den Alpen" lud der Österreichische Alpenverein am 13. Juni 2024 zu einer ungewöhnlichen Pressekonferenz im Kaunertal. Neben den alpinen Vereinen bekundeten auch viele PAN-Mitgliedsorganisationen ihre Solidarität vor der traumhaft schönen Kulisse der Seeles Seen auf 2400m Höhe.

Teilnehmende Organisationen: Österreichischer Alpenverein, Deutscher Alpenverein, Alpenverein Südtirol, Global 2000, WWF Österreich, Naturfreunde Österreich, Umweltdachverband, Protect our Winters Austria, Bürgerinitiative Feldring, Verein zum Schutz der Bergwelt e.V., WET - Wildwasser erhalten Tirol, PAN – Protect Alpine Nature, Mountain Wilderness Deutschland, Aktionsgemeinschaft Malfon, Dachverband für Natur- und Umweltschutz in Südtirol, Heimatpflegeverband Südtirol

In ihren Ansprachen hoben die Vertreter:innen der Organisationen den Wert intakter Naturlandschaften hervor und betonten die Wichtigkeit der Zusammenarbeit von NGOs und Bürgerinitiativen.

Untenstehend der Redebeitrag von Feldring-Sprecher Gerd Estermann mit dem Titel „Eine Pandemie, die gefährlicher ist als Covid 19“. Zusätzlich gibt es auch eine Aufzeichnung des Live-Streams der Pressekonferenz (Redebeitrag Gerd Estermann ab 31:18).

Eine Pandemie, die gefährlicher ist als Covid 19

Zuerst möchte ich mich beim ÖAV bedanken für die Einladung und die Gelegenheit, unsere Initiative in diesem Rahmen kurz vorstellen zu dürfen.

Es gibt eine Pandemie, die gefährlicher ist als Corona. Dagegen ist Covid 19 nur ein harmloser Schnupfen. Sie hat in der Vergangenheit und bis heute riesige Schäden in der Natur hinterlassen und hat das Potential, unseren Planeten unbewohnbar zu machen.

Diese Pandemie hat einen Namen: Gier und Maßlosigkeit. Es gibt sie, seit es Menschen gibt und sie kennt keine ethnischen oder nationalen Grenzen.

Schon vor 2000 Jahren haben die Römer Dalmatien abgeholzt, später die Wikinger Island entwaldet. Heute versucht man dort mühsam wieder Wälder anzusiedeln.

Die Alpen blieben von großen Eingriffen weitgehend verschont - zu unzugänglich, zu steil, zu kalt und schneereich im Winter.

Seit etwa 50 Jahren hat sich die Situation grundlegend geändert. Die technischen Möglichkeiten erlauben es, in die entlegensten Winkel vorzudringen, Gletscher und Gebirgsbäche zu erschließen und für Tourismus und Energiewirtschaft nutzbar zu machen. Das hat vielen Tälern Wohlstand gebracht und deren Bewohner von der Armut befreit.

Mit dem Reichtum ist aber auch die Gier gewachsen und sie hat Investoren und Spekulanten angelockt.

Sie hat auch vor dem landeseigenen Energieversorger nicht Halt gemacht, dessen ureigenste Aufgabe, die Versorgung der Bevölkerung mit leistbarer Energie, erst vor kurzem auf Druck der Öffentlichkeit in die Satzungen aufgenommen wurde. Börsenspekulationen, Cross-Boarder- Leasing-Geschäfte und ein ungebremster Drang, immer mehr Gebirgstäler zu verbauen, sind Anzeichen dafür, dass nach wie vor das Streben nach Gewinnmaximierung im Vordergrund steht. Den endgültigen Beweis erbrachte die ungerechtfertigte Strompreisverdoppelung im Vorjahr, die zumindest teilweise wieder rückgängig gemacht werden musste.

Aber auch im Tourismus werden Grenzen überschritten. Trotz der ständigen Steigerung von Betten- und Nächtigungszahlen scheint das Gewinnstreben noch nicht ausreichend befriedigt zu sein. Das Kaunertal hat 2021 eine Auszeichnung für nachhaltigen Tourismus erhalten. Inzwischen ist es nicht nur in der Energiefrage, sondern auch in der geplanten Erweiterung des Gletscherskigebietes auf Tirols größtem Gletscher zu einem Hotspot der geplanten Naturzerstörung geworden.

Wenn der Kaunertaler Bürgermeister meint, das sei allein seine Angelegenheit und die der lokalen Bevölkerung, irrt er. Natur gehört niemandem und doch uns allen. Ein früherer ÖVP-Landesrat hat einmal gemeint, man müsse „Natur in Wert setzen“. Natur hat einen Selbstwert, der auch unseren Respekt verdient.

Noch nie gab es so viele Bürgerinitiativen, NGOs, Petitionen und Demos wie in den letzten Jahren. Eine Bürgerinitiative entsteht aus der Unzufriedenheit von Menschen mit einer Entwicklung oder Entscheidung der jeweiligen Entscheidungsträger. Oft spielen auch Verlustängste eine Rolle, die Sorge um die eigenen Kinder und deren Zukunft. Bei unserer 2018 gegründeten BI Feldring war es die Befürchtung, ein beliebtes Erholungs- und Rückzugsgebiet, die Feldringer Böden, zu verlieren. Zum Glück ist es uns gelungen, das Vorhaben schon in einem frühen Stadium zu stoppen.

Schon bald erstreckten sich unsere Bemühungen, intakte Natur zu erhalten, auf größere Projekte. Dass das verharmlosend als „Gletscherehe“ bezeichnete Megaprojekt der Verbindung der Pitztaler und Ötztaler Gletscherskigebiete verhindert wurde, ist nicht zuletzt jenen mehr als 170.000 Unterstützer:innen zu verdanken, die unsere Petition unterzeichnet haben.

Auch unsere jüngste Petition gegen die weitere Verbauung von Gepatsch- und Mittelbergferner hat mehr als 100.000 Unterschriften erbracht. Die Bevölkerung wünscht keine weiteren Erschließungen, schon gar nicht auf Gletscherflächen.

Vor knapp einem Jahr wurde mit PAN (Protect Alpine Nature) ein Netzwerk gegründet, das inzwischen 15 Mitgliedsorganisationen aus drei Nationen und 5 NGO-Partnern, darunter auch den ÖAV, umfasst. Bald schon hoffen wir Mitglieder aus allen Alpenländern begrüßen zu können, um gemeinsam gegen die Übererschließung und Übernutzung der Alpen aufzutreten.

Naturschutz kennt keine nationalen Grenzen. Wir haben eben erst unsere EU-Vertreter gewählt. Das größte EU-Naturschutzvorhaben seit der Gründung, das EU-Renaturierungsgesetz hat auf europäischer Ebene eine, wenn auch knappe Zustimmung erzielt. In Tirol, wie in den meisten anderen Bundesländern, wird diese Jahrhundertchance blockiert.

· Ich schäme mich als Tiroler für unsere Landesregierung, die nur ihre Klientel bedient, statt die Bevölkerungsmehrheit zu vertreten.

· Ich schäme mich dafür, dass ihr Weitblick nur bis zum nächsten Wahltermin reicht, statt zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen, von denen auch die nächsten Generationen profitieren.

· Ich schäme mich als Tiroler dafür, dass im Landhaus der Wert intakter Naturräume als Grundlage einer hohen Lebensqualität noch immer nicht erkannt wird.

NGOs und BIs können sich in Zukunft nicht mehr den Luxus leisten, sich ganz aus der Politik herauszuhalten. Eine starke Bürgerbewegung ist der Garant für eine lebendige Demokratie und der beste Schutz gegen eine Pandemie von Gier und Maßlosigkeit.

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