Gletschervorfelder sind auch ohne Eis schützenswert
Wir haben in Tirol, zusammen mit wenigen anderen Ländern in Mitteleuropa, das Privileg, noch für wenige Jahrzehnte die nicht mehr ganz so mächtigen Eisriesen, die bei uns Ferner heißen, bewundern zu können.
Tatsächlich ist der Anblick eines riesigen Eisfeldes oder eines mächtigen Gletschertors ein beeindruckendes Erlebnis. Noch haben Skitouren über Gletschereis Expeditionscharakter und man fühlt sich in die Weiten der Arktis oder Antarktis versetzt. Doch dieses Bild ist vergänglich. Glaubt man den Prognosen der Glaziologin Andrea Fischer, dann werden die Ostalpen schon 2050 eisfrei sein. Sind sie deshalb weniger schützenswert?
Wenn das Eis sich zurückzieht, kommt eine vom Gletscher überformte Urlandschaft zum Vorschein, die wahrscheinlich noch keines Menschen Fuß zuvor betreten hat. Häufig bilden sich Seen unterhalb des Gletschertors, aus dessen Innerem das Schmelzwasser abfließt. Der feine Gletscherschliff verleiht dem Wasser eine smaragdgrüne Färbung, die einen beeindruckenden Kontrast zu den dunklen Felsen ergibt, eine fantastische Hochgebirgslandschaft. Bald schon besiedeln die ersten Organismen das freigelegte Gletschervorfeld, ein interessantes Freiluftlabor für Forscher:innen, die die Rückeroberung von extremen Lebensräumen hier in Echtzeit verfolgen können.
Die Frage, was schützenswert ist und was nicht, ist eine subjektive Entscheidung. Wenn Frau Fischer sich die Frage stellt, ob Gletscher ohne Eis noch schützenswert seien, ist das Ausdruck einer sehr eingeschränkten Sichtweise. Andrea Fischer rückte in der Vergangenheit schon mehrmals in PR-Manier aus, um die Interessen der Gletscherbahnen in einer scheinbar objektiven Weise zu propagieren. Zuletzt mit der Feststellung, dass der Gletscherskilauf die Eisschmelze nicht beeinflusse. Niemand hat das jemals behauptet. Tatsächlich geht es nicht um den Gletscherschwund, sondern um die Umwandlung einer hochalpinen Landschaft in ein von technischer Infrastruktur und „Geländekorrekturen“ grundlegend verändertes Areal.
Die hochalpine Natur ist weit mehr als nur Objekt wissenschaftlicher Forschung. Sie ist Teil unserer Identität und muss in ihrer Ursprünglichkeit erhalten bleiben.