Tiefe Narben in Tirols Natur
Im Winter eine Postkartenidylle, im Sommer eine Industrielandschaft – so könnte man die Situation in Tirols Gletscherskigebieten beschreiben. Die Gletscherschmelze macht den Skigebietsbetreibern mächtig zu schaffen. Die Weltcupstrecke in Sölden gleicht derzeit einer hochalpinen Großbaustelle. Eine Armada von Baggern, Tiefladern und anderem schwerem Gerät rückt den mittlerweile ausgeaperten ehemaligen Gletscherflächen zu Leibe. Die Gletschervorfelder, auf die kaum ein Mensch je einen Fuß gesetzt hat, werden glatt poliert, um die für den modernen Skisport erforderlichen Pistenautobahnen herzustellen. Die Panoramakamera liefert die Bilder frei Haus in alle Welt. Ein Insert weist darauf hin, dass es sich "nur" um eine Sanierung der Weltcupstrecke handelt und alle behördlichen Genehmigungen vorliegen. Besonderen Wert legt man auf die Feststellung, dass keine Erweiterung des bestehenden Skigebietes erfolgt.
Neue Anträge für Gletscherlifte eingereicht
Auch wenn rechtlich alles in Ordnung scheint, schmerzt der Anblick nicht nur Naturschützer und man fragt sich, wie hier in fünfzig Jahren ein nachhaltiger Sommertourismus stattfinden soll, wenn dann das Skifahren der Vergangenheit angehört. Besonders besorgniserregend ist, dass die Seilbahner nach wie vor auf Expansion setzen. Eben erst wurden zwei neue Anträge bei der Landesregierung eingebracht. Im Pitztal soll eine Bahn zum Linken Fernerkogeljoch bis auf etwa 100m an das Ötztaler Gletscherskigebiet heranrücken und so die abgesagte "Gletscherehe" doch noch durch die Hintertür möglich machen. An Tirols größtem Gletscher, dem Gepatschferner, möchte man mit zwei neuen Liften bisher unerschlossene Gletscherflächen in Pisten transformieren. Bald könnten also auch hier hochalpine Großbaustellen entstehen, die inzwischen niemand mehr sehen möchte. Zusätzlicher Aufwand muss betrieben werden, um die durch den schwindenden Permafrost zusehends labilen Felswände zu stabilisieren. Die Eis- und Felsstürze an der Marmolada und in Ischgl sind deutliche Warnsignale. Beim Bau der Bahn auf das Weißseejoch vor zwei Jahren mussten mehr als 3000 m2 Felswände mit Stahlnetzen gesichert werden. Leicht können so Skigebiete zu teuren Dauerbaustellen werden, subventioniert von der öffentlichen Hand.
Wir wollen verhindern, dass es am Mittelberg- und Gepatschferner bald ähnlich aussieht wie auf der hochalpinen Großbaustelle in Sölden.